In dieser Arbeit wird der Lernprozess der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt analysiert. Der erste Teil setzt sich kritisch mit den Konzepten betreffend die Opfer von sexualisierter Gewalt mit besonderem Fokus auf die Sozialwissenschaften auseinander und enthält eine Einführung in die Geschichte der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo). Im zweiten Teil wird eine qualitative Studie über einen der wichtigsten Einsätze von Ärzte ohne Grenzen im Osten der DR Kongo zugunsten der Betroffenen von sexualisierter Gewalt präsentiert. Dafür wurde die medizinische Anamnese von 2695 Patient:innen der Organisation untersucht, um das Phänomen der Massenvergewaltigung in dieser Region besser zu verstehen. Ausserdem wurden teilstrukturierte Interviews mit Freiwilligen und Verantwortlichen von Ärzte ohne Grenzen geführt, die an der Entwicklung dieser Art von Einsätzen beteiligt sind. Im letzten Teil werden die Faktoren beschrieben, die Ärzte ohne Grenze dazu bewogen haben, sexualisierte Gewalt in ihren Einsätzen zu berücksichtigen, wobei auch der Prozess zwischen Annahme und Widerstand der Organisation gegenüber den damit verbundenen Problematiken beleuchtet wird. Einige wichtige Ereignisse scheinen diesen internen Lernprozess ermöglicht zu haben: Konflikte, die HIV-Pandemie, ein günstiges institutionelles Umfeld und Medienskandale. Der Widerstand betrifft die soziale Darstellung der Opfer sowie ethische und fachliche Fragen. In diesem Prozess braucht es Formen der Mediation und der Vermittlung über Sinnfragen, die das Tätigwerden in Bereichen, die mitunter dem Unsagbaren angehören, mit Bedeutsamkeit erfüllen können.